Die Behandlung von 
Lichen Ruber
bei MKG Sinsheim

1. Definition
Der Lichen ruber planus ist eine chronisch entzündliche, schubartig verlaufende Erkrankung der Haut und der Schleimhäute mit dem typischen Bild von Knötchen (Papeln), die einzeln (solitär) oder dicht zusammenstehend (lichenoid) auftreten können. Typisch ist eine milchig-weißliche netzartige Zeichnung an der Oberfläche, die besonders eindrucksvoll bei Befall der Mundschleimhaut zu sehen ist (WICKHAM´sche Zeichnung).

2. Ursachen
Wie für viele andere Hauterkrankungen können Ursachen nur vermutet oder aus Zusammenhängen erschlossen werden. So können Arzneimittel oder Chemikalien Krankheitsschübe auslösen. Ebenfalls scheint der Lichen ruber im Zusammenhang mit Viruserkrankungen wie z. B. einer Virushepatitis aufzutreten.

3. Häufigkeit
Der Lichen ruber planus ist eine relativ häufig auftretende Hauterkrankung (1-2 % der Pat. in einer dermatologischen Klinik) und betrifft in erster Linie Personen im Alter von 30 – 60 Jahren. Aber auch bei Kleinkindern werden ausschlagartige (exanthematische) Formen z. B. nach einer Grippe beobachtet.

4. Symptome
Wie schon erwähnt, kann sich ein Lichen ruber planus an der Haut, an den Hautanhangsgebilden (Haare, Nägel) und/oder an den Schleimhäuten entwickeln.

Auf der normalen Haut bilden sich typische blassblau-rötliche 2 – 12 mm Knoten (Papeln), die an der Oberfläche eine feine netzförmige Zeichnung (WICKHAM´sche Streifen) aufweisen. Durch Auftragen von einem Tropfen Speiseöl können mit der Lupe die netzartig zusammenlaufenden Streifen leicht gesehen werden. Diese Knoten gehen mit einem unterschiedlich stark ausgeprägten Juckreiz einher. Der Lichen ruber planus tritt vorwiegend im Bereich der Handgelenksbeugen, der Unterschenkel und der Fußknöchel auf. Nur bei dem ausschlagartigen Auftreten (exanthematischer Lichen ruber) entwickeln sich die kleinen juckenden Knötchen am gesamten Körper.

Bei ca. 10 % der Patienten können sich die Nägel verdünnen, verkürzen, längsriffeln oder längs aufspalten und in seltenen Fällen dauerhaft ausfallen. Auch im Bereich der Haare können sich zunächst eine verstärkte Schuppung, Verkrustung von Haarausführungsgängen und haarlose Bezirke ausbilden, die im Verlauf der Erkrankung vernarben können. Bei ca. 30 – 40 % der Patienten erkranken auch die Schleimhäute (Mundschleimhaut, Genitalschleimhaut). Auch hier finden sich wieder die typischen netzartigen weißlichen Streifen bis hin zu diffusen, gleichmäßig weißlichen Stellen. Im Mundbereich tritt der Lichen bes. häufig auf der Wangenschleimhaut auf, kann aber auch die Zunge, die Wangentaschen und das Lippenrot befallen.

5. Diagnose
Die Diagnose kann häufig schon aufgrund der Befragung des Patienten (Einnahme von bestimmten Medikamenten!!) und des Untersuchungsbefundes gestellt werden. Zur Bestätigung kann ein Knötchen entnommen und feingeweblich untersucht werden. Dabei findet sich typischerweise eine Verdickung der oberen Hautschicht (Hyperkeratose) und in der Körnerschicht (Stratum granulosum) fleckförmige Verdickungen (fokale Granulose), die dann zweidimensional die weißliche Streifung bilden. Unterhalb der Oberhaut liegt ein breites Band von Abwehrzellen, die die unterste Schicht der Oberhaut attackieren und zu einer Zerstörung der untersten Zellschichten (Basalzellen) führen.

Mit speziellen Färbungen lassen sich in diesem Bereich auch Ablagerungen von Antikörpern (Immunglobuline) nachweisen. Daher wird vermutet, dass es sich beim Lichen ruber um eine Art Autoimmunerkrankung handelt, d. h. der Körper bildet Abwehrstoffe (z. B. Immunglobuline) gegen sich selbst oder Abwehrstoffe gegen z. B. Viren, die dann auch mit Bestandteilen des Körpers reagieren. Deshalb können Blutuntersuchungen (z. B. Hepatitisserologie) hilfreich sein.

Wie bei anderen Hauterkrankungen kann durch mechanische oder andere Reizung (Infektionen) die Entwicklung von Lichen-ruber-Knoten ausgelöst und/oder die Ausprägung des Krankheitsbildes verschlimmert werden.

Dieses Phänomen wird in der Dermatologie als KÖBNER-Phänomen bezeichnet. Bei einigen Patienten können in Reihe stehende Knötchen („Kratzstraße“) oder Knötchen im Bereich von Schuhriemen beobachtet werden, die durch Kratzen bzw. Scheuern ausgelöst wurden.

6. Therapie
Wird der Lichen ruber durch Arzneimittel ausgelöst, sollten diese und strukturell vergleichbare Medikamente abgesetzt und in der Zukunft vermieden werden. Die Behandlung einzelner Stellen erfolgt zumeist mit Kortisonsalben oder Kortisonpflastern, bei Hautpartien mit sehr ausgeprägtem Befall auch durch Einspritzen von Kortison-Kristalllösungen. Andere Möglichkeiten sind die Lokalbehandlung mit Kälte (Kryotherapie) oder die Laserbehandlung (Farbstofflaser). Bei starkem Juckreiz auf keinen Fall kratzen, sondern versuchen, durch lokales Kühlen (Umschlag, kaltes Wasser, Eiswürfel etc.) oder durch das Auflegen eines kalten Gelkissens den Juckreiz zu mildern.

Treten großflächige oder ausschlagartige Verläufe auf, kann die Einnahme von Kortison oder von speziellen Vitamin-A-Säurepräparaten, die nur unter ärztlicher Kontrolle genommen werden dürfen, die Abheilung beschleunigen. In seltenen Fällen müssen andere Medikamente, wie z. B. das immunsuppresive Cyclosporin eingesetzt werden. Insgesamt ist die Behandlung besonders bei lang anhaltenden (chronischen) Krankheitsverläufen schwierig und oft nicht sehr erfolgreich.

Insbesondere bei Befall im Schleimhautbereich kann sich der Krankheitsverlauf über Jahre hinweg hinziehen und immer wieder zu offenen, schmerzhaften Stellen führen. Die Lokalbehandlung ist durch den Speichelfluss, der ein lokal angewandtes Medikament schnell verdünnt und abträgt, erschwert. Auch hier können spezielle Kortisonpräparate oder Vit.-A-Säurepräparate eingesetzt werden. Abtragungen der erkrankten Schleimhaut z. B. durch Laser führen häufig zum Wiederauftreten an der gleichen Stelle.

Lokale Reizungen durch zerfallene, kariöse Zähne, Zahnprothesen oder Zahnprothesenmaterial müssen bedacht werden (KÖBNER-Phänomen!)

7. Komplikationen
Aufgrund des starken Juckreizes können durch Aufkratzen einzelner Knoten lokale Infektionen auftreten, die nicht selten zur narbigen Abheilung führen. Ansonsten heilen die Knötchen in den meisten Fällen narbenlos ab.

Im Bereich des behaarten Kopfes können die Haaranlagen (Haarfollikel) durch die Entzündung zerstört werden und es entwickelt sich im Verlauf ein narbig abgeheilter, haarloser Bezirk (vernarbende Alopezie). Auch der Verlust von Nägeln kann in seltenen Fällen vorkommen.

Die schwerwiegendste Komplikation ist das erhöhte Risiko, durch die langjährige, chronische Entzündung im Schleimhautbereich einen Hautkrebs (Karzinom) zu entwickeln. Daher sollten Patienten, die im Schleimhautbereich immer wieder offene Stellen haben, regelmäßig zu einem Hautarzt oder Zahnarzt gehen, der gegebenenfalls eine Hautprobe aus einem verdächtigen Bereich entnehmen kann.

8. Prophylaxe
Nicht bekannt. Wenn aber ein Lichen ruber planus aufgetreten ist, sollten im Bereich der Haut auf starke mechanische Reizungen verzichtet werden.

Im Bereich der Mundschleimhaut sollte auf eine entsprechende Mundhygiene geachtet werden und in Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt oder Kieferorthopäden kariöse Zähne behandelt und bei Fehlstellungen Korrekturen vorgenommen werden.

9. Prognose
Die Hautveränderungen beim Lichen ruber bilden sich meist spontan innerhalb der nächsten Jahre (1/2 -2 Jahre) ohne Narbenbildung zurück und nur in wenigen Fällen (10 -15 %) kommt es zu Rückfällen. Wichtig ist, dass bei einem Lichen ruber im Mundbereich, der immer wieder in offene Stellen übergeht und mehrere Jahre besteht, an die Möglichkeit einer bösartigen Entartung gedacht wird und Hautproben aus verdächtigen Bezirken entnommen werden.

Daher ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Dermatologen, Kieferchirurgen und Zahnarzt wünschenswert, wenn ein Lichen ruber planus der Mundschleimhaut vorliegt.